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Interview Merian

Das Merian Reisemagazin beauftragte Christine und Robert Nippoldt, über ihre Heimatstadt Münster zu erzählen.
2021

48 Stunden in Münster

Münster ist eine Studentenstadt und wie so viele andere hat uns das Studium hergeführt. Ich komme aus der Kleinstadt Kleve, meine ältere Schwester war damals schon an der Fachhochschule für Design. Die habe ich ein paar Mal besucht und mich gleich in diese fahrradverrückte Stadt verliebt. Christine hat zuerst in Weimar Design studiert. Eigentlich wollte sie nach ihrem Dipolm nur für ein Gastsemester nach Münster kommen. Zu Semesterbeginn ist es hier aber immer total irre bei der Zimmersuche. Untergekommen ist sie deshalb bei einem Freund eines Freundes in dessen Abstellkammer. Dieser Freundesfreund war dann ich. Jetzt sind wir seit 16 Jahren ein Paar, verheiratet und haben zwei Kinder.

Wer Münster besucht, sollte sich wie die Studierenden fortbewegen, sich erstmal ein Fahrrad mieten und an der Promenade entlangfahren. Das ist ein autofreier Grüngürtel rund um die Altstadt, gesäumt von hohen Lindenbäumen, dort, wo einst die Stadtmauer stand. Der St.-Paulus-Dom ist nicht weit entfernt, da bietet sich ein Zwischenstopp an. Wenn auf dem Domplatz gerade Markt ist, also mittwochs oder samstags, kaufen wir uns dort eine Käsetüte für fünf Euro und trinken entspannt einen Kakao.
Als Christines Schwester im vergangenen Jahr mit ihren Kindern bei uns war, sind wir mit ihnen in den Dom gegangen und haben uns die astronomische Uhr angesehen. Sie wurde vor mehreren hundert Jahren gebaut. Wenn man davor steht, hörten man das Knirschen und Knacksen des alten mechanischen Uhrwerks, das ist eine ganz besondere Stimmung. Wir entdecken an der Uhr jedes Mal etwas Neues, wie bei einem Wimmelbild. Vom Dom sollte man dann einen Abstecher die Straße runter Richtung Überwasserkirche zur kleinen Galerie Nettels machen. Dort stehen schöne Druckgrafiken zum Verkauf, zum Teil von Künstlern hier aus der Gegend – von mir sind auch ein paar Sachen dabei.
Nach so viel Fahrradfahren und Kultur ist eine kleine Pause nicht schlecht. Ein paar hundert Meter weiter haben wir vor kurzem die Happy Tea Bar entdeckt. Die Besitzer Christine Fischer und Siawosh Hashemi haben ihren Laden erst im Herbst 2020 eröffnet. Ihre Einrichtung ist etwas Besonderes: Alles ist weiß und jede Kante ist mit schwarzem Edding umrandet, das wirkt, als wäre man in einer Papierkulisse. Ich bin eigentlich kein Teetrinker, aber hier würde ich eine Ausnahme machen. Weil hier haben sie besondere Cocktails mit einer Mischung aus Gin und verschiedenen Teesorten im Angebot, sehr lecker!

Wer danach die Kreativ-Szene Münsters entdecken will, muss ins Hansaviertel gehen. Viele Künstler haben hier ihre Büros, auch unsere Atelier-Gemeinschaft haben wir 2006 in der Nähe des Hafens zusammen mit anderen Künstlern gegründet. Von dort aus gehen wir für die beste Pizza der Stadt öfters ins Café Med direkt am Wasser. Hier tummeln sich die Hipster der umliegenden Werbeagenturen und der italienische Küchenchef kommt zu den Tischen und schnackt mit seinen Gästen. Manchmal hört man ihn in der Küche auf Italienisch fluchen, er hat ein feuriges Temperament. Danach schlendern wir gern noch ein wenig am Hafen entlang, ein bisschen fühlt sich das an wie Urlaub. Gleich neben dem Café Med gibt es übrigens jeden Abend im Hot Jazz Club Sessions und Konzerte. So kann der Tag entspannt ausklingen.

Normalerweise frühstücken wir mit unseren Kindern im Garten, aber wenn Gäste da sind, fahren wir am nächsten Morgen auch mal zur Wolbecker Straße und kaufen uns beim Café Montmartre die besten Croissants von Münster – die zerschmelzen nur so auf der Zunge. Alternativ findet man direkt gegenüber im Teilchen und Beschleuniger, einem gemütlichen Café mit Wohnzimmer-Atmosphäre, leckere Bagels. An den Wänden hängen wechselnde Ausstellungen von Münsteraner Künstlern.
Nach dem entspannten Frühstück sollte man am zweiten Tag zum Aasee im Südosten der Stadt fahren.
Alternative: So gestärkt, und wenn es nicht regnet, bietet sich am zweiten Tag ein Ausflug an den Aasee im Südosten der Stadt an. Das künstlich angelegte Gewässer zieht im Sommer Münsteraner aller Couleur an, die hier am See picknicken, grillen oder feiern. Ins Wasser zu springen, würden wir nicht empfehlen, der See ist für seine miese Wasserqualität berühmt-berüchtigt. Dafür findet man am Ufer aber einige großartige Kunstwerke. Seit 1977 finden in Münster alle zehn Jahre die Skulptur-Projekte statt, eine renommierte internationale Kunstausstellung. Von diesen Skulpturen und Plastiken kauft die Stadt immer einige für den dauerhaften Verbleib an. Insgesamt verteilen sich mittlerweile 40 Stück davon über die ganze Stadt. Und am berühmtesten sind sicher die großen Kugeln von Claes Oldenburg am Ufer des Aasees. Auch der Steg, der in den See hineinragt und an dessen Ende ein kleines, offenes Häuschen steht, ist ein Teil der Skulptur-Projekte gewesen. Über die Internetseite der Stadt Münster kann man sich eine Karte mit den Standorten der Projekte herunterladen.
 
Kurze Kuchenpause im Café Tante August im Südviertel, dann weiter in den angrenzenden Südpark. Dort kann man Speckbrettspielen und sich im Tante August dafür die Schläger ausleihen. Dieses "Tennis für Arme" wird mit gelochten Holzschlägern auf einem der extra dafür angelegten aber kostenlosen Plätze gespielt. Außerhalb von Münster kennt man nur in Berlin diesen Sport, aber hier gibt es sogar eigene Stadtmeisterschaften. Ein Nachmittag vergeht wie im Fluge bei dieser typisch westfälischen Beschäftigung und ist der perfekte Abschluss für zwei Tage in unserer Heimatstadt.