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Künstler des Monats

Sylvia Mucke vom Büchermagazin Eselsohr interviewt Robert Nippoldt und stellt ihn als „Künstler des Monats“ vor.
2023

Jack of all Trades, master of none/all

Robert Nippoldts musische Allroundwelt

Ja, er ist ein Hans Dampf in allen Gassen. Wobei die Betonung auf Dampf liegt. Denn das fällt im Gespräch mit ihm als erstes auf: Wie viel Energie dieser Mann hat, wie viel Begeisterung er ausstrahlt. Da ist ordentlich Druck drauf auf dieser kreativen Existenz. Robert Nippoldt ist jemand, der höchst vielseitig interessiert ist und sich für alles Mögliche begeistern kann. Eine nimmermüde kindliche Neugier treibt ihn an und nährt ein inneres Feuer, das ansteckend ist.

Das hat aber auch „Nebenwirkungen“, Entscheidungen werden nicht leichter. So war es für ihn beispielsweise nicht selbstverständlich, nach der Schule eine gestalterische Laufbahn einzuschlagen. Auch wenn er als Kind sehr viel gezeichnet hat, vor allem aus einer Uraltausgabe von Herders Großes Bilderlexikon (erschienen in den 1970er Jahren), aus dem er „rauf und runter immer alles mögliche abzeichnete“: Dinosaurier, Unterwasserwelten, Infografiken, Straßenquerschnitte ... – es war dieses Potpourri aus Themen und Stilen, das den jungen Robert nachhaltig beeindruckte und begeisterte. Im Unterricht karikierte er seine Lehrer mit nachhaltigem Erfolg.
Dennoch: „Ich konnte mir einfach auch viele andere Sachen vorstellen, z. B. Sport oder Krankengymnastik, Erdkundelehrer ...“ Dementsprechend „verirrte“ der Richtersohn sich nach dem Abitur erst einmal kurz in den Rechtswissenschaften, erkannte aber schnell, dass ihm das absolut nicht lag, und kam schließlich im Sommer 1999 nach Münster, um hier an der Fachhochschule Grafik und Illustration zu studieren. In Münster lebt und arbeitet er bis heute; die Ateliergemeinschaft Ateliers Hafenstraße ist ihm kreative Heimat.
Auch an der Fachhochschule probierte er wieder alles aus, „so wie ich das bis heute mache“: Produktdesign, Fotografie, Animation, Webdesign, Druckgrafik ... Bei Prof. Hartmut Brückner entdeckte er die Liebe zur Typografie. In Kombination mit anderen Vorlieben – z.B. Infografiken und Porträt-Zeichnungen – entstand daraus seine Diplomarbeit Gangster. Die Bosse von Chicago. Zu seiner eigenen Überraschung fand er damit sofort einen Verlag: Bei Gerstenberg startete das Kompendium zur Chicagoer Gangster-Szene der 1920er Jahre durch, gewann Preise, kam ins Fernsehen. Damit wurde Robert Nippoldt die Entscheidung, wie es weitergehen sollte, ein stückweit abgenommen. Es sollte Buchkunst sein.
Warum zieht ihn ausgerechnet die Ästhetik der 1920er Jahre so an? „Ich bin ein Augenmensch. Und da sind die Zwanziger eine unendliche Fundgrube. Sie passen auch sehr zu der Art, wie ich zeichne – schwarz-weiß, reduzierter Tuschestrich, sehr grafisch – eben wie in den Publikationen dieser Zeit auch.“ Der Erfolg bestätigte ihn und er entschied sich dazu, noch mehr zu dem Jahrzehnt zu machen.

Und richtig, bis heute faszinieren Nippoldt die 1920er und 1930er. Das (Zwischen-)Ergebnis sind vier opulente Publikationen, die ganz bewusst nicht beim Augenschmaus stehen bleiben: Jazz im New York der wilden Zwanziger (Gerstenberg 2007), Hollywood in den 30er Jahren (Gerstenberg 2010) und Es wird Nacht im Berlin der Wilden Zwanziger (Taschen 2017), Der große Gatsby (Coppenrath 2022).
Er selbst nennt sich oft Zeichner und Buchkünstler, aber das greift eigentlich zu kurz. Nippoldt denkt stets über Buchseiten hinaus. Schon zu Beginn eines neuen Projekts. Diesen verschreibt er sich denn auch mit Haut und Haaren: „Es macht sich jedes Mal eine ganze Welt auf, wenn ich ein neues Projekt annehme.“
Robert Nippoldt ist ein großer Musik-Liebhaber, Amateur im wahrsten Wortsinn und Autodidakt, er spielt Gitarre, Ukulele, Klavier und seit Neuestem und passend zur 1920er-Jahre-Thematik auch Theremin. Zum Jazz-Buch gehörte da für ihn natürlich auch eine CD, eigenhändig zusammengestellt von Robert Nippoldt, der sich bei der Gelegenheit so richtig in die Thematik hineingrub. Zum Berlinbuch entwickelte er zusammen mit dem Trio Größenwahn „Ein Rätselhafter Schimmer“, eine begleitende Show mit Live-Zeichnungen und Live-Musik.
Auch das Jazz-Buch blieb nicht lange ohne Bühnen-Show: „Lesung mit Live-Jazz“, eine Konzertlesung von Robert Nippoldt und dem Just Jazz Trio. Zum Gatsby gibt es „Eine musikalische Lesung mit Live-Zeichnungen“.
„Ich arbeite gerne nach dem Lustprinzip“, sagt er über sich selbst. Und es funktioniert. Robert Nippoldt begeistert sich schnell. Ist erst einmal entbrannt, gibt er sich Projekten mit Haut und Haar hin. Fast noch wichtiger aber: Der Funke springt über. Nippoldt begeistert auch immer wieder andere für seine Sache. Wir dürfen gespannt sein, welche musisch breit gefächerten Genüsse er uns als nächstes bereitet.
Sylvia Mucke